Verschreibung; Foto: ©Syda Productions/fotolia
Antibiotika: Die Wunderwaffe verliert an Kraft
Dr. med. M. Berger - Juni 2015
Ärzte und andere Gesundheitsexperten beobachten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, dass Antibiotika dramatisch an Wirksamkeit verlieren. Der Grund: Die Wunderwaffe wurde in den letzten Jahren so häufig eingesetzt, dass sie nun zunehmend an Kraft verliert. Das Problem ist offensichtlich so brisant, dass nun auch die Staats- und Regierungschefs der G7, bei ihrem jährlichen Gipfeltreffen auf Schloss Elmau im Juni 2015, dieses Thema auf ihrer Agenda hatten.
Antibiotika sind Medikamente gegen Infektionen, die durch Bakterien hervorgerufen werden. Krankheiten, die früher lebensbedrohende Folgen hatten, können wirksam behandelt werden. In der Liste der verordnungsstärksten Arzneimittel in Deutschland landen Antibiotika Jahr für Jahr unter den ersten Fünf. Im ambulanten Bereich (Krankenhäuser nicht mitgerechnet) werden jährlich rund 40 Millionen Packungen verordnet (2013). Der Jahresverbrauch in der Veterinärmedizin liegt bei ca. 12.000 t (zur Erinnerung: eine Tonne entspricht 1.000 Kilogramm!). Besonders Kinder bekommen häufig Antibiotika verschrieben. Im Vorschulalter (3.-6.Lebensjahr) hat 2012 jedes zweite Kind ein Antibiotikum eingenommen.
Experten warnen
Der unkritische Umgang mit Antibiotika hat dazu geführt, dass resistente Bakterien rapide auf dem Vormarsch sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht seit Jahren auf das Problem aufmerksam. 2014 hat sie die abnehmende Wirksamkeit als „ernste weltweite Bedrohung der öffentlichen Gesundheit“ in ihrem Global Report on Antibiotic Resistence thematisiert.
Bei der Vorstellung des Berichtes wird darauf hingewiesen, dass dies nicht länger eine Befürchtung in Hinblick auf die Zukunft sei, sondern die Bedrohung sich jetzt, bei Jedem, in jedem Alter und auch in jedem Land ereigne. Das Problem ist offensichtlich so brisant, dass nun auch die Staats- und Regierungschefs der G7, bei ihrem jährlichen Gipfeltreffen auf Schloss Elmau im Juni 2015, dieses Thema auf ihrer Agenda hatten. In der Abschlusserklärung verpflichten sich die Regierungschefs „eine fachgerechte Verwendung von Antibiotika zu fördern“ und die „Entwicklung von neuen Antibiotika, alternativen Therapien, Impfstoffen und Schnelltests zu stärken“.
Was bedeutet „Resistenz“?
Kann ein Bakterium nicht durch ein Antibiotikum zerstört oder in seinem Wachstum gehemmt werden, ist es resistent gegen diesen Wirkstoff. Es handelt sich also um eine Art Widerstandsfähigkeit gegen das Medikament. Das Problem dabei: Je größer die Zahl resistenter Erreger, desto schlechter ist die Wirksamkeit eines Antibiotikums!
Bakterien produzieren wie alle anderen Lebewesen möglichst viele Nachkommen, um ihre Art zu erhalten. Dafür benötigen sie (neuen) Lebensraum. Andere Erreger haben dagegen etwas einzuwenden, sie verteidigen ebenfalls ihren Platz auf Haut oder Schleimhäuten. Verschiedene Bakterienarten halten sich also gegenseitig in Schach, es bildet sich ein ausgewogenes Gleichgewicht. Die Behandlung mit einem antibiotischen Wirkstoff zerstört diese Harmonie - empfindliche Erreger werden dezimiert, resistente Keime haben nun einen Vorteil und breiten sich aus. Selbst ein Jahr nach einer Behandlung kann eine größere Zahl resistenter Erreger auf Haut und Schleimhäuten behandelter Personen nachgewiesen werden. Je häufiger Antibiotika zum Einsatz kommen, umso findiger werden Bakterien, um zu überleben. Experten bezeichnen dieses Phänomen als „Selektionsdruck“.
Wie werden Resistenzen verbreitet?
Bakterien sind sehr trickreich und kreativ. Es gelingt ihnen nicht nur, immer neue Mechanismen zu entwickeln, mit denen sie sich vor antibiotischen Medikamenten schützen können. Sie tauschen diese auch untereinander aus. Dafür gibt es viele Wege. Ein Beispiel: Bakterien aus landwirtschaftlicher Tierhaltung, menschlichen Ausscheidungen und der Kanalisation von Krankenhäusern, eine besonders heikle Brutstätte resistenter Keime, vermischen sich im Abwasser. Sie werden in Kläranlagen nicht eliminiert und gelangen mit dem Trinkwasser zurück zum Menschen. Auch die Überreste der Trinkwasseraufbereitung, Klärschlamm, enthält resistente Bakterien. Er wird zur Düngung auf Felder aufgebracht - widerstandsfähige Bakterien gelangen auch auf diesem Weg in unsere Nahrungskette. Die Globalisierung der Märkte fördert ebenfalls ihre Ausbreitung. Wir können Lebensmittel aus der ganzen Welt kaufen, resistente Erreger werden gratis mitgeliefert. Bakterienarten, die Antibiotika widerstehen können, werden auch direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben. Wird beispielsweise in einem Haushalt eine Person behandelt, werden resistente Erreger begünstigt und können innerhalb der Familie weitergegeben werden. Auch ohne sichtbare Krankheitszeichen auszulösen
Antibiotika fördern Resistenzen!
Erreger können sich also auf kreative Art und Weise durch Entwicklung neuer Abwehrmechanismen schützen und ihr Wissen untereinander austauschen, um sich der Wirkung von Antibiotika zu entziehen. Der wichtigste Anstoß für die Ausbildung und Verbreitung von Resistenzen ist der häufige Einsatz von Antibiotika. Es bildet sich ein immer schneller drehender Teufelskreis: Je mehr Antibiotika eingenommen werden, umso größer der Selektionsdruck auf die Erreger. Die zunehmende Ausbildung von Resistenzen führt zu einem Wirkverlust gängiger Antibiotika. Reserveantibiotika mit breitem Wirkspektrum (und auch mehr Nebenwirkungen) müssen vermehrt eingesetzt werden. Dies führt wieder zu einer Zunahme des Selektionsdruckes auf die Erreger und zur Ausbildung neuer Resistenzen. Diese Entwicklung ist bereits weit fortgeschritten. „Multiresistente“ Keime, die von keinem gängigen Antibiotikum mehr zerstört werden können oder nur von einer aufwändigen Kombination mehrerer Wirkstoffe, sind auf dem
Vormarsch. Im gesunden Zustand können diese Keime gut von unserem Abwehrsystem kontrolliert
werden. Bei einer Schwächung des Immunsystems können sie jedoch zu einem lebensbedrohenden Problem werden. Jedes Jahr sterben in deutschen Krankenhäusern schätzungsweise 15.000 Menschen an den Folgen schwerer Infektionen durch multiresistente Erreger, die sich gegen Antibiotika erfolgreich zur Wehr setzen können.
Beim Vergleich europäischer Länder zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Antibiotikaverbrauch und Resistenzentwicklung. Je mehr Antibiotika in einem Land verschrieben werden, umso größer ist der Anteil multiresistenter Erreger. Deutschland liegt bei diesem Vergleich im unteren Drittel. Häufig werden Antibiotika vor allem in südeuropäische Ländern wie Griechenland, Portugal, Italien und Frankreich eingenommen. In einigen dieser Länder sind sie nicht rezeptpflichtig sondern frei verkäuflich. Multiresistente Erreger kommen hier beängstigend häufig vor. Sehr sparsam wird in Schweden und den Niederlanden mit Antibiotika umgegangen. Entsprechend niedrig ist der Anteil multiresistenter Bakterien.
Auf Antibiotika verzichten?
Nach wie vor können Antibiotika bei schweren, durch Bakterien ausgelösten Krankheiten Leben retten! Sie werden allerdings insbesondere bei Infektionen der Atemwege oft unkritisch, eingesetzt. Bei Kindern erfolgen über zwei Drittel aller Verschreibungen wegen Erkältungen, Husten und Bronchitis sowie Entzündung des Mittelohres. Die meisten dieser „Erkältungskrankheiten“ werden aber nicht durch Bakterien, sondern durch Viren verursacht! Antibiotika sind Viren gegenüber völlig wirkungslos! Alle Studien zu diesem Thema zeigen durchgängig dasselbe, völlig paradoxe Phänomen: 80-90 % der Atemwegsinfekte werden durch Viren ausgelöst - dennoch werden 80-90 % dieser Erkrankungen antibiotisch behandelt!
Warum verschreiben Ärzte so häufig Antibiotika, obwohl sie doch wissen müssten, dass viele der behandelten Krankheiten durch Viren ausgelöst werden und Antibiotika in diesem Fall wirkungslos sind?
Offensichtlich spielen nicht nur medizinische Fakten, sondern auch die Erwartung ihrer Patienten im Bewusstsein der Ärzte eine wesentliche Rolle. Eine interessante Studie aus England gibt darüber Aufschluss. Von den Patienten mit einem Infekt der Atemwege, wie gesagt, ein Antibiotikum ist in den meisten Fällen sinnlos, erhielten nahezu 90 % ein Rezept - wenn sie dies erwarteten. Von den Erkrankten hingegen, die sich über die weitere Behandlung nicht festgelegt hatten, bekam nur jeder vierte ein Antibiotikum verschrieben (25 %).
Interessant ist auch die Begründung der Ärzte: Das Ausstellen eines Rezeptes gehe einfacher und schneller als Betroffene von der Harmlosigkeit ihrer Erkrankung zu überzeugen. Vor allem hatten die Mediziner Sorge, dass Patienten sich schlecht behandelt fühlen könnten, wenn sie ohne Rezept die Praxis verlassen. Dies wiederum scheint ein einseitiger Fehlschluss zu sein. Denn Patienten, die eine Verschreibung für das Antibiotikum erhielten, waren nicht zufriedener als diejenigen, die ohne entsprechendes Rezept nach Hause gingen. Die Zufriedenheit bemisst sich in der Studie vor allen Dingen daran, ob sich der Arzt Zeit nimmt, Befund und Krankheit verständlich erklärt und auf Ängste und Sorgen ausreichend eingeht.
Alternativen zu Antibiotika
Noch einmal: Bei schweren bakteriellen Krankheiten sind sie nach wie vor unverzichtbar!
Bei Infektionen der Atemwege, die meist durch Viren verursacht werden, wird die unkritische Verwendung antibiotischer Wirkstoffe allerdings zunehmend zum Problem. Ihr häufiger, oft unnötiger Einsatz ist nicht nur mit Nebenwirkungen verbunden, sondern fördert in bedrohlichem Ausmaß die Entwicklung von Resistenzen. Damit geht die Gefahr einher, dass Antibiotika, dann, wenn sie wirklich notwendig sind und lebensrettend sein können, nicht mehr greifen.
Wissenschaftlichkeit und ärztliches Handeln auf der Grundlage erwiesenen Nutzens, gilt als Grundlage der „Schulmedizin“. Die Behandlung von Erkältungen und Atemwegserkrankungen mit Antibiotika zeigt das Gegenteil: Täglich wird in Krankenhäusern und in ärztlichen Praxen eine Therapie verordnet, die meist wirkungslos ist. Sie ist sogar in Hinblick auf die Entwicklung von Resistenzen gefährlich!
Dass die Behandlung von Atemwegsinfekten mit homöopathischen Arzneimitteln eine wirksame, kostengünstige und nebenwirkungsarme Alternative darstellt, ist durch etliche Studien belegt. Eine Vielzahl von belastbaren Daten aus Einzelstudien gemäß den geltenden wissenschaftlichen Standards („placebokontrollierte Doppelblindstudien“), aus Beobachtungsstudien sowie aus zusammenfassenden Übersichtsarbeiten („Metaanalysen“) dokumentieren ihre Wirksamkeit bei Infekten.
Der Homöopathischen Medizin wird oft nachgesagt, wenn überhaupt, dann eigne sie sich für chronische Krankheiten. Ihre Anwendung sei wegen der individuellen Arzneimittelwahl zeitintensiv. Die tägliche Erfahrung in einer Kassenpraxis, mit einem großen Anteil akut erkrankter Patienten, zeigt das Gegenteil. Mit dem geeigneten Wissen, mit ein wenig Übung und Erfahrung kann gerade bei akuten Infekten recht schnell ein passendes, wirksames homöopathisches Arzneimittel gefunden werden - ein Beitrag zum Erhalt der Wirksamkeit von Antibiotika!
Ergänzende Literatur zu den verschiedenen Aspekten des Beitrags können Sie gerne beim
Autor anfordern.
portal@homoeopathie-heute.de