Wechseljahre; Foto: ©RFBSIP/fotolia
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Hormone in den Wechseljahren und Brustkrebsrisiko

Dr. med. M. Berger - September 2019

Zur Linderung ihrer Beschwerden, oder gar prophylaktisch, um diese zu vermeiden, wurde Frauen in den Wechseljahren lange Jahre von ihren Ärzten zur Einnahme von Hormonen geraten. Das Konzept war einfach und schien intuitiv verständlich: Wie bei der Zuckerkrankheit, bei der zu wenig Insulin vorhanden ist (oder dieses nicht ausreichen wirkt), schien es einleuchtend, die in den Wechseljahren versiegenden weiblichen Hormone zu ersetzen. Allerdings gab es zu keinemZeitpunkt wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit und vor allem nicht für die Sicherheit der Hormonersatztherapie (HET) (5). Nachdem im Jahr 2002 eine auf die Dauer von acht Jahren angelegte große Studie zu diesem Thema nach etwa fünf Jahren wegen eindeutiger Risiken der Behandlung abgebrochen wurde (2, 5, 6) kam es zu einem deutlichen Rückgang der Hormonverordnungen. Sie haben sich auf einem niedrigeren, dennoch nennenswertem Niveau stabilisiert. Derzeit sollen in westlichen Ländern rund 12 Millionen Frauen in den Wechseljahren regelmäßig Hormonpräparate einnehmen (3).

Auch weitere Studien konnten zeigen, dass unter der Hormonersatzbehandlung das Risiko für die Entwicklung folgender Krankheiten zunimmt: Brustkrebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Venenthrombosen (einschließlich Lungenembolie), Erkrankungen der Gallenblase (einschl. erhöhtes OP-Risiko) und Harninkontinenz (deutliche Zunahme des Risikos) (2, 4, 5).

Das Homöopathieportal hat bereits 2013 über die Risiken der HET ausführlich berichtet (Hormone für die Wechseljahre – ein Gesundheitsrisiko?)

Aktuelle Erkenntnis über das Brustkrebsrisiko

Nun wurde kürzlich eine Zusammenfassung (Metaanalyse) von 58 epidemiologischen Studien zum Langzeitrisiko für Brustkrebs während der Hormonersatztherapie veröffentlicht. Die Datenbasis ist groß, 100.000 an Brustkrebs erkrankte Frauen wurden seit 1992 erfasst. Epidemiologische Studien stellen Zusammenhänge dar, sie können keine sichere Aussage über eine mögliche Kausalität machen - es ergibt sich dennoch ein dramatisches Bild:

  • Frauen, die in den Wechseljahren Hormone einnehmen, erkranken häufiger an Brustkrebs. Das gilt insbesondere für die Einnahme von Medikamenten mit einer Kombination von Östrogenen mit Gestagenen:
    Auf 50 Anwenderinnen kommt eine zusätzliche Brustkrebserkrankung.
    (bezogen auf Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr, Einnahme über 5 Jahre, durchschnittliches Körpergewicht).

  • Die Einnahme von Östrogenen alleine wirkt sich weniger gravierend auf das Brustkrebsrisiko aus, ist allerdings nur für Frauen ohne Gebärmutter geeignet:
    Von 200 Anwenderinnen entwickelt eine zusätzlich Brustkrebs.

  • Es besteht eine Abhängigkeit des Brustkrebsrisikos von der Dauer der Einnahme. Bei Anwendung eines Östrogen/Gestagen Medikamentes über 10 Jahre steigt das Risiko im Vergleich zur 5 jährigen Einnahme auf das 2-fache an.

  • Das mit der Hormoneinnahme erhöhte Risiko bleibt auch (abhängig von der Dauer der Einnahme) bis zu 10 Jahre nach Absetzen der Medikation bestehen. Eine Anwendung kürzer als ein Jahr scheint mit deutlich geringerem Risiko für Brustkrebs einherzugehen.

  • Das erhöhte Brustkrebsrisiko wirkt sich mehr bei schlanken oder normalgewichtigen Frauen aus, im Vergleich zu Frauen mit Übergewicht. Dies lässt sich mit dem Umstand erklären, dass bei übergewichtigen Frauen das Brustkrebsrisiko per se erhöht ist. Die Zunahme des Risikos durch die HET betrifft also zunächst Frauen mit geringerem Risiko.

  • Nach derzeitigem Kenntnisstand erhöhen vaginale Anwendungen von Hormonen nicht das Brustkrebsrisiko.

Das Fazit der Studienautoren lautet sinngemäß: Die Ergebnisse der Studie legen den Schluss nahe, dass von 20 Millionen Brustkrebserkrankungen, die seit 1990 in westlichen Ländern aufgetreten sind, etwa eine Million der Hormonersatztherapie zugeschrieben werden können.

Informiert entscheiden

Vor der Verordnung von Hormonen in den Wechseljahren sollte jede Frau darüber informiert werden,

1. dass die HET klimakterischen Beschwerden meist lediglich auf einen späteren Zeitpunkt nach Absetzen der Hormone verschiebt und

2. welche Gesundheitsrisiken mit der Einnahme verbunden sind.

Auf dieser Grundlage können Betroffene für sich entscheiden, welche Behandlung sie nach Abwägen von Chancen und Risiken wählen möchten.



Die in Klammern gesetzten Ziffern beziehen sich auf die folgende Quellenangabe.

Info; Foto: ©Gajus/fotolia
Info; Foto: ©Gajus/fotolia

Quellen:

(1) aerzteblatt.de, Hormonersatztherapie: Meta-Analyse bestätigt Brustkrebsrisiken. 30. August 2019. www.aerzteblatt.de/nachrichten/105648/Hormonersatztherapie-Meta- Analyse-bestaetigt-Brustkrebsrisiken, Zugriff Sept 2019)

(2) arznei-telegramm. Postmenopausale Hormontherapie - gynäkologische Fachgesellschaften setzen weiterhin auf Desinformation. a-t 2016; 47: 53-4

(3) Beral, V. et al., Type and timing of menopausal hormone therapy and breast cancer risk: individual participant meta-analysis of the worldwide epidemiological evidence. The Lancet, August 2019.(www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140- 6736(19)31709-X/fulltext, Zugriff Sept 2019)

(4) Marjoribanks J, Long-term hormone therapy for perimenopausal and postmenopausal women. Cochrane Database Syst Rev 2017. (www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28093732, Zugriff Sept 2019)

(5) Mühlhauser, I., Substitution oder Medikalisierung gesunder Frauen? Wieviel Evidenz braucht die Hormontherapie in der Menopause? KVH - Journal 5/2018. (http://www.kvhh.net/media/public/db/media/1/2009/10/71/05_18_web_kvh_journal. pdf, Seite 34, Zugriff Sept 2019)

(6) Writing Group for the Women‘s Health Initiative Investigators. Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women: principal Results from the Women‘s Health Initiative randomized controlled trial. JAMA 2002; 288: 321-333



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