Verletzung; Foto: ©Kritchanut/fotolia
Verletzung; Foto: ©Kritchanut/fotolia

„Verschleiß“ des Kniegelenks - welche Behandlung ist sinnvoll?

Dr. med. M. Berger - Dezember 2015

Schmerzen des Kniegelenkes und damit einhergehende Einschränkungen von Beweglichkeit und Belastbarkeit werden meist einem „Verschleiß“ des Gelenkes zugeschrieben, der sog. Arthrose. Diese Beschwerden können tägliche Aktivitäten und die Lebensqualität erheblich einschränken. Die Diagnose wird gestellt, wenn neben den typischen Beschwerden (Schmerz, Morgensteifigkeit, Bewegungseinschränkung, andauerndes Reiben oder Knirschen bei der Bewegung, Schwellung durch Gelenkergüsse) auch das Röntgenbild charakteristische Veränderungen aufweist: u.a. eine Verschmälerung des Gelenkspaltes als indirekter Hinweis auf Verlust von Gelenkknorpel und der Nachweis von knöchernen Ausläufern oder Spangen (Osteophyten) am Rande der Gelenkfläche. 


Das sichtbare Ausmaß der Verschleißerscheinungen (zum Beispiel Röntgen- oder MRT-Untersuchung) stimmt häufig nicht gut mit der Ausprägung von Beschwerden und Beeinträchtigung überein. In einer großen Studie berichteten von 320 Menschen mit ausgeprägten Knieveränderungen im Röntgenbild lediglich knapp 50% über Schmerzen in den Knien. Bestanden andererseits Schmerzen in den Kniegelenken, hatten nur etwa 20% der Betroffenen auch stärkere Veränderungen im Röntgenbild (1).


Befund und Befinden passen also nicht immer gut zueinander. Dies weist darauf hin, dass der Grad der Beschwerden nicht nur von sichtbaren Veränderungen des Gelenks abhängt, sondern der intakten Funktion des Gelenks große Bedeutung zukommt. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass es in den meisten Fällen nicht nur um die Reparatur eines „verschlissenen“ Gelenks geht, sondern im Mittelpunkt der Behandlung die Wiederherstellung des ungestörten Gelenkspiels stehen sollte.


Die folgenden Informationen geben Ihnen eine Übersicht über Wirksamkeit, Chancen und Risiken verschiedener Behandlungsmaßnahmen bei Beschwerden des Kniegelenks durch Arthrose. Sie können als Grundlage für das Gespräch mit Ihrem Arzt dienen. Und sie bieten Ihnen eine neutrale, von kommerziellen Interessen unabhängige Basis für Ihre persönliche Entscheidung, welche Behandlung für sie infrage kommt.


1. Physiotherapie („Krankengymnastik“)

Die Effektivität physiotherapeutischer Behandlung („Krankengymnastik“, Übungsbehandlung) ist unter 3., 5. und 6. dargestellt.

2. Medikamente

Die Einnahme von Schmerzmitteln oder „Entzündungshemmern“ kann Schmerzen des Kniegelenks wirksam lindern. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass der Verlauf der Erkrankung in keiner Art und Weise beeinflusst wird. Sobald die Medikamente abgesetzt werden, treten die Beschwerden in unverändertem Ausmaß auf. Die Ergebnisse vieler Studien weisen darauf hin, dass die Beeinflussung des Schmerzes im Durchschnitt mit 15-20 % gegenüber der ursprünglichen Schmerzstärke eher gering ist. Eine Langzeitstudie ließ sogar eine nennenswerte Verringerung von Schmerzen ganz vermissen. „Entzündungshemmer“ wirken besser als Paracetamol - sie sind aber auch, insbesondere im Alter, mit erheblichen Risiken für Nebenwirkungen verbunden (Herz, Magengeschwür, Magendurchbruch, Niere) (2, 3).

3. Cortisoninjektion

Spritze; Foto: homoeopathie-heute
Spritze; Foto: homoeopathie-heute

Über die Wirkung von Cortisoninjektionen in das Kniegelenk geben zahlreiche Studien Aufschluss. Zusammengefasst lässt sich folgende Schlussfolgerung ziehen:

Ca. 80 von 100 Patienten (80%) berichten über eine Verbesserung eine Woche nach der Cortisoninjektion. Dies betrifft insbesondere den Schmerz. Belastbarkeit und Beweglichkeit bleiben im Schnitt unverändert.

Im Vergleich dazu kommt es allerdings auch bei 54 von 100 Patienten (54%), denen ein Scheinmedikament ins Kniegelenk gespritzt wurde (Placebobehandlung), zu einer Besserung!


Vier Wochen nach der Behandlung ist der Effekt dahin. Es besteht dannzwischen beiden Gruppen in Bezug auf Schmerz, Beweglichkeit und allgemeine Funktionalität kein Unterschied mehr.


Die Cortisoninjektion in das Kniegelenk ist mit erheblichen Risiken verbunden: 

Schwerwiegende Entzündungen des Gelenkes und, insbesondere nach mehrfachen Injektionen, Abbau des Gelenkknorpels (!) können die Folge sein (4). Eine Studie aus dem Jahr 2015 bei Patienten mit Arthrose des Kniegelenks plus Zeichen einer akuten Entzündung hat gezeigt, dass die Cortisonbehandlung die Beschwerden nicht relevant verbessert und den positiven Effekt einer 12-wöchigen Physiotherapie nicht verbessert (5).

4. Hyaluronsäure

Hyaluronsäure ist ein physiologischer Bestandteil der Gelenkflüssigkeit. Bei Menschen mit Gelenkverschleiß ist die Konzentration im Gelenk erniedrigt. Da die Substanz das Gelenk „gleitfähiger“ macht, liegt der Gedanke nahe, bei Arthrose - Beschwerden Hyaluronsäuredurch Injektion in das Gelenk zu ersetzen. 

In etlichen Studien, die der Frage der Wirksamkeit von Hyaluronsäureinjektionen nachgingen, konnte entweder nur ein geringer oder gar kein Einfluss auf Beschwerden nachgewiesen werden. Sie können möglicherweise die Gelenkfunktion zeitweilig etwas verbessern, bringen aber nicht mehr Erleichterung als die Einnahme von Schmerzmedikamenten oder „Entzündungshemmern“ (siehe 2). Da die Injektion in das Kniegelenk mit dem Risiko einer schwerwiegenden Entzündung verbunden ist, sollte diese Anwendung von Hyaluronsäure sehr kritisch abgewogen werden (3, 6).

5. Spiegelung des Kniegelenks

Spiegelung Knie; Foto: ©smartmediadesign/fotolia
Spiegelung Knie; Foto: ©smartmediadesign/fotolia

Eine Standardmethode zur Behandlung von Beschwerden im Rahmen einer Kniegelenksarthrose ist die Spiegelung des Gelenks (Arthroskopie). Durch kleine Hautschnitte werden eine schmale Kamera sowie Arbeitswerkzeuge in das Kniegelenk eingeführt. Ziel dieser operativen Behandlung, die unter Vollnarkose oder Spinalanästhesie durchgeführt wird, ist die ausführliche Spülung des Gelenks mit einer Kochsalzlösung, um frei im Gelenk liegende Partikel, die Entzündungsprozesse und den Abbau des Knorpel unterhalten können, zu entfernen (Lavage). Aus demselben Grund werden raue Oberflächen der Gelenksstrukturen (Knorpel, Meniskusteile) abgetragen oder geglättet (Debridement). 


Das „Institut zur Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, eine unabhängige, vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte Institution, hat 2014 den Nutzen der therapeutischen Spiegelungen des Kniegelenks bewertet. Insgesamt wurden 11 Studien zu dieser Frage ausgewertet. Die Ergebnisse sind ernüchternd: In keiner Studie fanden sich überzeugende Hinweise oder Belege dafür, dass der Eingriff einen positiven Einfluss auf Schmerzen, Verbesserung der Beweglichkeit oder die Lebensqualität der Betroffenen hat. Das Fazit der Auswertung lautet: „Der Nutzen der therapeutischen Arthroskopie (mit Lavage und gegebenenfalls zusätzlichem Debridement) zur Behandlung einer Gonarthrose ist nicht belegt“. 


Eine Erhebung ist besonders aufschlussreich: Verglichen wurde der Effekt der Kniegelenkspiegelung mit dem einer physiotherapeutischen Trainingstherapie. Die in die Studie eingeschlossenen Patienten hatten zusätzlich eine Schädigung des Meniskus. Auch 24 Monate nach dem Eingriff hatten die operierten Patienten keinen Vorteil hinsichtlich Schmerz oder Beweglichkeit. Anders herum gesagt: Bei Beschwerden im Rahmen einer Kniegelenksarthrose wirkt Physiotherapie genauso gut wie die therapeutische Spiegelung des Gelenks. Auch bei Schädigung des Meniskus durch Verschleiß ist ein arthroskopischer Eingriff erst nach Versagen der physiotherapeutischen Behandlung angezeigt (außer es bestehen sehr akute Beschwerden, wie z.B. eine Blockierung des Gelenks) (7, 8, 9).


Zwar ist die Spiegelung des Kniegelenkes ein „Routineeingriff“. Er wird in vielen operativen Zentren mit großer Erfahrung und meist reibungslos durchgeführt. Angesichts des fehlenden Wirksamkeitsnachweises dieser Operation bleibt es allerdings ein Rätsel, warum sie so häufig durchgeführt wird - in Deutschland rund 380.000 mal im Jahr (8). Trotz aller Routine ist die Arthroskopie des Kniegelenks nicht ohne Risiko. Nach Auswertung von mehr als 90.000 Kniegelenksspiegelungen betrug die Rate für Komplikationen während und nach der Operation fast 5% (Thrombose, lebensgefährliche Lungenembolie, Wundinfektion, blutiger Gelenkerguss, Verletzung von Gelenksstrukturen). Ein nicht unerhebliches Risiko für eine Operation, die den Nachweis ihrer Wirksamkeit bislang schuldig geblieben ist.

6. Chirurgischer Ersatz des Kniegelenks

Krankenhaus; Foto: ©upixa/fotolia
Krankenhaus; Foto: ©upixa/fotolia

Pro Jahr werden in Deutschland ca. 160.000 Prothesen des Kniegelenkes implantiert (11). Wie hilfreich diese Operation tatsächlich ist, war bislang nicht gut untersucht. 2015 wurde erstmals mit einer wissenschaftlich sauberen Studie der Erfolg eines Kniegelenkersatzes mit der Wirksamkeit nicht-operativer Behandlung (körperliche Übungen, Physiotherapie, Diät, Einlegesohlen und Schmerzmittel) verglichen (12). Bei 100 Patienten mit einem im Röntgenbild nachgewiesenen Verschleiß des Kniegelenks wurde die Notwendigkeit einer Knieprothese durch die behandelnden Chirurgen festgestellt. Sie wurden in 2 Gruppen aufgeteilt. Die Studienteilnehmer der einen Gruppe erhielten einen künstlichen Ersatz des Kniegelenks und wurden anschließend 12 Wochen nachbehandelt. Die Patienten der anderen Gruppe wurden ausschließlich 12 Wochen mit den nicht-operativen Maßnahmen behandelt.


Das Ergebnis: Bei 85 % der Operierten kam es anschließend zu einer relevanten Verbesserung der Beschwerden. Die Studie ist deswegen bemerkenswert, weil auch fast 70 % der nicht operierten Patienten ähnliche Verbesserungen aufwiesen! Wenn sich die Ergebnisse der Studie verallgemeinern lassen, bedeutet das mit anderen Worten: Rund 2/3 der Patienten, bei denen das Kniegelenk ersetzt werden soll, könnten auch anstelle einer Operation mit intensiven nicht-operativen Maßnahmen, Krankengymnastik, Übungsbehandlung und Gewichtsreduktion, eine ähnlich starke Verbesserung ihrer Beschwerden erzielen! 

Berücksichtigt man darüber hinaus, dass es bei rund 15 % der operierten Patienten zu Komplikationen kam (gefährliche Venenthrombose, Infekt des Kniegelenks, Knieversteifung u.a.) und dass laut Behandlungsstatistiken ca. 10% der Operationen Zweiteingriffe sind, es sich also um den Ersatz eines bereits bestehenden Kunstgelenkes handelt, sollte der Entschluss für eine Kniegelenkprothese gut abgewogen werden (11, 12). Nur am Rande sei erwähnt, dass die Häufigkeit dieser Operation zwischen verschiedenen Regionen innerhalb Deutschlands erhebliche Unterschiede aufweist. Beispielsweise wird in einigen Regionen Bayerns 3 mal häufiger ein künstliches Kniegelenk eingesetzt, als in brandenburgischen Landkreisen. Experten sehen darin ein Indiz dafür, dass auch nicht-medizinische Gründe eine Rolle spielen könnten (13).


Naturheilverfahren

Ergänzend zur Bewertung der konventionellen Therapiemöglichkeiten gibt es Hinweise aus Studien, dass auch „alternative“ Maßnahmen wirksam sein können. Naturheilkundliche ist vor allem die Behandlung der Beschwerden des Kniegelenks mit Blutegeln geprüft. Daten aus vier Studien zeigen einen deutlichen Effekt zu Gunsten dieser Behandlung (14, 15). 

In verschiedenen Studien stand die Wirksamkeit homöopathischer Komplexmittel auf dem Prüfstand. Sie konnten unter Beweis stellen, dass sie der konventionellen Behandlung gleichwertig sind bzw., dass im Vergleich mit einer Scheinbehandlung (Plazebotherapie) Schmerzmedikamente eingespart werden konnten (16,17). Studien zur Wirksamkeit individuell gewählter homöopathischer Einzelmittel liegen derzeit nicht vor. 

Fazit

Fazit; Foto: ©Jan Engel/fotolia
Fazit; Foto: ©Jan Engel/fotolia

Bei der Überprüfung konventioneller medizinischer Maßnahmen zur Behandlung von Beschwerden bei Arthrose des Kniegelenks schneidet die Physio- und Übungstherapie am besten ab. Weder die medikamentöse Behandlung mit Entzündungshemmern, noch die Injektionsbehandlungen mit Cortison oder Hyaluronsäure konnten in Studien überzeugen. Sie sind andererseits mit erheblichen Risiken verbunden. Für die Wirksamkeit der Kniegelenkspiegelung gibt es keinen Nachweis. Der Ersatz durch ein künstliches Gelenk kann bei starken Beschwerden und schweren Veränderungen eine hilfreiche Option sein. Selbst wenn eine Empfehlung für die Operation besteht, könnten viele Betroffene von einer intensiven Physio- und Übungstherapie profitieren und so den Eingriff vermeiden. Auch der chirurgische Ersatz des Kniegelenks ist mit Risiken und möglichen Komplikationen verbunden. 


Aus Sicht der „integrativen Medizin“ und aufgrund der Erfahrungen homöopathischer Ärzte ist die Homöopathische Behandlung bei Beschwerden des Kniegelenks, kombiniert mit Physiotherapie, eine sinnvolle Behandlungsmaßnahme.


Die in Klammern gesetzten Zahlen im Text beziehen sich auf weiterführende bzw. Originalliteratur. Wenn Sie an dieser Literaturliste interessierte, schicken Sie uns gerne eine E-mail unter: https://www.homoeopathie-heute.de/kontakt.php

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