Erreger; Foto: ©Cassis/fotolia
Erreger; Foto: ©Cassis/fotolia

HPV - Infektion und Gebärmutterhalskrebs

Dr. med. M. Berger - August 2011

Es ist unbestritten, dass zwischen einer genitalen Infektion mit „Humanen Papillom-Viren“ (HPV) und der Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs ein enger Zusammenhang besteht. Die dauerhafte Infektion mit HPV kann im Verlauf von Jahre zunächst zu gutartigen, später auch zu bösartigen Zellveränderungen führen. Mit regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen (PAP-Abstrich) möchte man Zellveränderungen frühzeitig entdecken, um sie gegebenenfalls operativ zu entfernen (Konisation). Der HPV-Impfung von Mädchen liegt der Gedanke zu Grunde, die Infektion gar nicht erst entstehen zu lassen. Diese Strategien gegen den Gebärmutterhalskrebs klingt zunächst plausibel - wie so oft im Leben "steckt der Teufel im Detail". 


Wie also sind Früherkennung und Impfung bei differenzierter Betrachtung zu bewerten? 


Gebärmutterhalskrebs

Diese Krebsart ist eigentlich erst mit der Werbung für die HPV-Impfung so recht ins Bewusstsein junger Frauen (und ihrer Eltern) geraten. Der Grund dafür ist vermutlich die Tatsache, dass Gebärmutterhalskrebs in Deutschland selten vorkommt. Hierzulande erkranken daran im Jahr etwa 6.500 Frauen, ungefähr 1.700 sterben. Zum Vergleich: 200.000 Frauen erkranken pro Jahr an irgendeiner Krebsart, 17.000 sterben beispielsweise am Brustkrebs, über 200.000 Frauen sterben an den Folgen einer Herzkreislauf-Erkrankung.

Betroffen ist der "Hals" der Gebärmutter (die Verbindung zwischen der Gebärmutterhöhle und der Scheide), in der Scheide endet die Gebärmutter mit dem „Muttermund“. In diesem Bereich treffen verschiedene Gewebstypen aufeinander, es ist eine dynamische und empfindliche Zone mit vielfältigen Veränderungsprozessen im Gewebe. 

HPV und Krebsentwicklung

Humane Papillom-Viren(HPV) verbreiten sich beim Menschen durch sexuelle Kontakte. Die Viren können sich am Muttermund einnisten und zu einer schleichenden Infektion führen. Die meisten Infektionen heilen spontan ab. Bleibt sie bestehen, kann es im Verlauf von Jahren zu Veränderungen in diesem Bereich kommen. Dabei handelt es sich noch nicht um bösartiges Gewebe. Vermutlich erst nach weiteren Jahren könnten aus diesen Veränderungen Krebszellen entstehen. Diese Wandlung der Zellen, bis hin zur Entstehung bösartiger Zellen, nimmt vermutlich 10 - 20 Jahre in Anspruch.

Von 130 verschiedene HPV-Typen führen ca. 40 zu einer genitalen Infektion. Einige können lästige Genitalwarzen wachsen lassen, der Befall mit anderen kann zu den beschriebenen Veränderung bis hin zum Krebs führen. 13 HPV - Typen gelten als krebsauslösende "Hochrisikotypen“, am häufigsten werden die Typen 16 und 18 mit der Krebsentstehung in Zusammenhang gebracht (70% aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs).

Man geht derzeit davon aus, dass sich Zellveränderungen, ausgelöst durch die HPV-Infektionen, möglicherweise nur in 1% der Fälle weiter zu Krebs entwickeln. Wichtig ist auch zu wissen, dass sich Zellveränderungen in jedem Stadium vollständig zurückbilden können. Neben der Infektion mit HPV scheinen für die Entwicklung zunächst gutartiger Zellveränderungen bis hin zu Krebs, weitere Umstände eine Rolle zu spielen: Eine Schwächung des Immunsystem, mangelhafte Ernährung, häufiger Wechsel der Sexualpartner, vaginale Begleitinfektion, Rauchen, Einnahme der Pille. Der Gebrauch von Kondomen scheint sich schützend auszuwirken. 

Früherkennung auf Gebärmutterhalskrebs

Jeder Frau wird ab dem 20. Lebensjahr eine Früherkennungsuntersuchung im Jahr von der Krankenkasse erstattet. Im Mittelpunkt der Maßnahme steht die Entnahme von Zellen aus dem Bereich des Gebärmutterhalses (Abstrich). Dieser wird anschließend unter dem Mikroskop betrachtet und nach der PAP- Klassifikation beurteilt (siehe Tabelle 1). Bei verdächtigen Befunden ab PAP III D kommt die Betrachtung des Muttermundes mit Hilfe einer Lupe (Kolposkopie) und die direkte Entnahme einer Gewebeprobe (Biopsie) in Frage. Die mikroskopische Untersuchung von zusammenhängendem Gewebe aus einer Biopsie ist aussagekräftiger als die Beurteilung einzelner Zellen des PAP - Abstriches. Die Klassifikation der Biopsie erfolgt nun nach dem CIN-Schema (siehe Tabelle 2). Je nach Ausmaß der Gewebsveränderung wird abgewartet und kontrolliert oder zur operativen Entfernung des veränderten Gewebes geraten (Konisation).


Diese Strategie zur Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses war erfolgreich - Erkrankungszahlen und Sterblichkeit an dieser Krebsart sind zurückgegangen. Allerdings sind Früherkennungsuntersuchungen stets auch mit diversen Fehlerquellen behaftet - so auch der PAP-Abstrich und die Untersuchung von Gewebeproben (CIN-Schema). Ein Problem besteht darin, dass der Krebs nicht als solcher erkannt wird und (unbegründet) Entwarnung gegeben wird.

Das zahlenmäßig größerer Problem könnte die "Überdiagnose" sein, aus der sich eine "Übertherapie" ergeben kann. Viele der genannten Zellveränderungen bilden sich wie beschrieben im Verlauf der Jahre von allein zurück.


 Auch die Früherkennung kann die zentrale Frage nicht beantworten: welche Frau leidet unter einer harmlosen Zellveränderung und bei wem wird sich daraus Krebs entwickeln? Dies führt in vielen Fällen dazu, verändertes Gewebe „sicherheitshalber“ operativ zu entfernen (Konisation) - auch auf die Gefahr hin, dass sich kein Krebs entwickelt hätte. Tatsächlich kommen auch schwerwiegende, allerdings letztlich gutartige Gewebsveränderungen des Gebärmutterhalses, bis zu 50-fach häufiger vor als Gebärmutterhalskrebs. 

Hochrechnungen gehen davon aus, dass bei jährlich durchgeführten Früherkennungsuntersuchungen zumindest jede zweite Frau im Laufe ihres Lebens einen abklärungsbedürftigen PAP - Befund mitgeteilt bekommt.


Im Gegensatz zu anderen Ländern Europas wird in Deutschland versucht, durch kurze Untersuchungsintervalle, durch jährliche Früherkennungstermine, mehr Sicherheit in der Krebserkennung zu erlangen. Damit stieg tatsächlich die Wahrscheinlichkeit einen gefährlichen Befund zu entdecken. Hier beginnt das Problem: Mit zunehmenden Untersuchungen steigt auch die Zahl verdächtiger Befunde. Frauen werden als krank eingestuft - obwohl sich bei ihnen nie ein Krebs entwickeln wird („falsch positive“ Diagnose).

Operation - die Konsation

Krankenhaus; Foto: ©upixa/fotolia
Krankenhaus; Foto: ©upixa/fotolia

Der prophylaktischen Entfernung von Gebärmuttergewebe liegt, wie oben beschrieben, die Überlegung zugrunde, (zunächst gutartig) verändertes Gewebe könnte sich weiter zu Krebs entwickeln. Bei der Operation wird ein Teil des Gebärmutterhalses kegelförmig mit Messer, elektrischer Schlinge oder Laser entfernt. Der Eingriff wird meist in Vollnarkose durchgeführt, er gilt als harmlos.


Allerdings kommt es bei 4 % der operierten Frauen im direkten Zusammenhang mit dem Eingriff zu Komplikationen (Blutung, Entzündung, Verletzung anderer Organe). Besteht noch ein Kinderwunsch ist die Entscheidung zur Konisation besonders gründlich abzuwägen. Statistiken legen den Schluss nahe, dass spätere Schwangerschaften häufiger von Komplikationen begleitet sind als bei nicht operierten Frauen (vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburten, geringes Geburtsgewicht u.a.). Trotz Konisation sollen betroffene Frauen weiterhin an der Früherkennung teilnehmen, in 1 % der Fälle entwickeln sich auch nach der OP erneut Veränderungen der Zellen. 

HPV-Impfung

Impfung: Foto: ©G.Seybert/fotolia
Impfung: Foto: ©G.Seybert/fotolia

In Deutschland sind 2 Impfstoffe gegen HPV zugelassen. Cervarix® verhindert Infektionen mit den Typen 16 und 18. Gardasil® wirkt zusätzlich auf die Typen 6 und 11, die für die Entstehung von Feigwarzen in der Genitalregion verantwortlich sind. Die Idee der Impfung ist gut nachvollziehbar: Wird eine Infektion mit HPV verhindert (die Typen 16 und 18 sind für 70 % der Krebsfälle verantwortlich) entstehen keine Zellveränderungen, aus denen sich der Krebs entwickeln könnte. Seit 2007 wird die HPV - Impfung von der „Ständigen Impfkommission“ (genannt STIKO), dem offiziellen Gremium des Robert Koch - Institutes, das für die öffentlichen Empfehlung von Schutzimpfungen zuständig ist, empfohlen und von den Krankenkassen erstattet.


Ist bereits eine Infektion mit den HPV - Typen 16 und 18 eingetreten, kann die Impfung nicht mehr wirken. Es sollen also möglichst junge Mädchen, vor Beginn sexueller Aktivitäten geimpft werden. Die Empfehlung der STIKO gilt für Mädchen von 12 - 17 Jahren.


Viele Fragen rund um die Impfung sind ungeklärt, die Datenlage über Nutzen und Risiken ist äußerst spärlich. Ob die Impfung, die im Vergleich zu anderen Erkrankungen geringe Sterblichkeit am Gebärmutterhalskrebs langfristig weiter reduzieren kann, ist bislang nicht belegt. Bislang ist auch nicht klar, wie lange die mögliche Schutzwirkung anhält. Möglicherweise müssen sich Frauen nach 6 Jahren erneut impfen lassen. Die unmittelbaren Nebenwirkungen scheinen denen anderer Impfungen zu ähneln (Reaktionen an der Einstichstelle, selten Fieber, allergische Reaktionen u.a.). In letzter Zeit wurde über weitere Komplikationen, wie Entwicklung neurologischer Erkrankungen und dem Eintritt mehrerer Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung berichtet. Die Bedeutung dieser Verdachtsfälle ist noch nicht geklärt.


Das möglicherweise schwerwiegendste Argument gegen die HPV-Impfung könnte das aktuell nicht einschätzbare Verhalten der Viren nach einer Impfung darstellen. Da die Impfung nur einzelne HPV-Typen betrifft wird vermutet, andere, möglicherweise ebenso stark krebsauslösende Typen, könnten sich in dieser Lücke ausbreiten („Replacement“) und jeglichen Nutzen der Impfung zunichte machen.


Es sei darauf hingewiesen, dass auch nach einer vollständigen Impfung Früherkennungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden sollen, da weiterhin ein Krebsrisiko besteht. 30% der krebsbegünstigenden Viren werden durch die Impfung nicht erfasst (zur Erinnerung: HPV - Typ 16 und 18 werden bei 70% aller Frauen mit Gebärmutterhalskrebs gefunden).


Letztlich werden wir erst nach etlichen Jahren wissen, ob der Nutzen der HPV- Impfung die möglichen Komplikationen überwiegt. Deshalb empfiehlt das „Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten“ (ECDC) HPV-Impfungen nur im Rahmen kontrollierter Studien durchzuführen. In Deutschland werden derzeit Impfungen nicht zentral dokumentiert und nicht ausgewertet. Ssoweit bekannt, sind diese Maßnahmen auch nicht in Planung. 

Fazit

Fazit; Foto: ©Jan Engel/fotolia
Fazit; Foto: ©Jan Engel/fotolia

Gebärmutterhalskrebs ist in Deutschland eine seltene Krebsart. Durch die offensive Werbung für die HPV-Impfung ist er in das Bewusstsein der Bevölkerung geraten. Eine langfristige Infektion mit Humanen Papillom-Viren (HPV) kann im Verlauf von vermutlich 10-20 Jahren zu dieser bösartigen Veränderung führen. Regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen, die in jährlichen Intervallen von der Krankenkasse getragen werden, waren in den letzten Jahren durchaus erfolgreich.

Mit Hilfe eines Scheidenabstriches aus dem Bereich des Gebärmutterhalses werden Zellen gewonnen, die nach der PAP-Klassifikation untersucht werden (Tabelle 1). Liegen verdächtige Zellveränderungen vor, wird der Gebärmutterhals mit der Lupe betrachtet (Kolposkopie) und eine Gewebeprobe entnommen. Diese wird nach dem CIN-Schema beurteilt (Tabelle 2). Ist nun auch das Gewebe verdächtig verändert erfolgt die operative Entfernung eines Teils des Gebärmutterhalses. Diese Früherkennungsstrategie hat die Zahl der Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkranken und sterben deutlich reduziert. Sie birgt allerdings auch erhebliche Risiken:


✗ Früherkennungsuntersuchungen spüren nicht jeden Krebs auf. Es wird geschätzt, dass bei etwa jeder 2. Frau, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankt, die Früherkennungsuntersuchung unauffällig war.


✗ Ein anderes Problem der Früherkennung besteht darin, dass Frauen fälschlich als krank eingestuft werden, obwohl sie tatsächlich gesund sind. Je häufiger untersucht wird, desto häufiger kommt es zu „falsch positiven“ Befunden. 


Zusammenfassend lassen sich Vorteil und notwendiger Aufwand im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung auf Gebärmutterhalskrebs in Deutschland, bezogen auf die Gesamtzahl aller Frauen (ca. 42 Millionen) und ein Jahr, folgendermaßen errechnen:


Ca. 6.300 Frauen erkranken jedes Jahr trotz Früherkennung - ohne Früherkennung wären es vermutlich rund 17.000 (Benefit: knapp 10.000 vermiedene Erkrankungen im Jahr). 


Trotz Früherkennung sterben etwa 1.700 Frauen an der bösartigen Veränderung, ohne Früherkennung wären es wahrscheinlich ca. 3.500 (Benefit: rund 2.000 Frauen können pro Jahr durch die Früherkennung gerettet werden).


Diesem Vorteil der Früherkennung stehen ca. 17 Millionen PAP-Abstriche im Jahr gegenüber. Daraus ergeben sich ca. 500.000 verdächtige Befunde. Als Konsequenz daraus werden jedes Jahr ca. 140.000 Frauen operiert (Konisation), 2.500 Frauen wird die Gebärmutter entfernt. Es werden also wesentlich mehr Operationen durchgeführt als Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken. Um etwa 2.000 Frauen zu retten, werden ca. 140.000 (meist gesunde) Frauen operiert.


Kritiker bemängeln, dass die Früherkennung auf Gebärmutterhalskrebs in Deutschland ohne Sicherung der Qualität durchgeführt wird. Sie plädieren für eine durchgehende Qualitätssicherung und damit zusammenhängend für eine Verlängerung der Früherkennungsintervalle auf 3 - 5 Jahre. Dies würde zur Abnahme der großen Zahl „falsch positiver“ Befunde und Vermeidung unnötiger operativer Eingriffe führen - ohne die Krebsgefahr zu erhöhen.


Statistische Risiken und Chancen können unterschiedlich bewertet werden. Fundierte Aufklärung, transparente Information über jeden Behandlungsschritt, über Risiken und Chancen und ein tragfähiger Dialog mit den beteiligten Ärzten können betroffenen Frauen helfen, eine "gute", stimmige Entscheidung zu treffen. 


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