Impfung: Foto: ©G.Seybert/fotolia
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Gegen die „Schweinegrippe“ impfen?
Teil 2 - Der aktuelle Stand

Dr. med. M. Berger - November 2009

Die Empfehlungen zur Impfung gegen die Schweinegrippe A/H1N1 sind unübersichtlich. Die zuständigen Behörden, die ständige Impfkommision (STIKO - ww.stiko.de), das Robert-Koch-Institut (RKI - www.rki.de)) und das Paul-Ehrlich- Institut (PEI - www.pei.de), konnten bislang nicht verhindern, dass die Frage ob und für wen eine Impfung gegen A/H1N1 sinnvoll ist, weiter unterschiedlich beurteilt wird. Nach unserer Erfahrung sind viele Menschen verunsichert. Ist die Impfung für mich angezeigt oder wiegen mögliche Schäden schwerer als ein Nutzen? Um eine eigenständige „informierte Entscheidung" treffen zu können, bedarf es umfassender  Informationen. Die Wertung  der  Fakten und die darauf aufbauende Entscheidung für oder gegen eine Impfung, muss jeder für sich treffen. Die  Fragen um die  A/H1N1-Impfung  führt  uns  allerdings  ein grundsätzliches Dilemma der Medizin vor Augen: (Therapie-) Entscheidungen sind nicht immer klar und eindeutig! Auch Experten kommen bei gleicher Faktenlage zu unterschiedlichen Empfehlungen. 


Die dargestellten Informationen basieren überwiegend auf Veröffentlichungen des arznei - telegramms (AT), einem neutralen, unabhängigem und anzeigenfreien Informationsdienst für Ärzte und Apotheker zu diesem Thema (Ausgaben 10 und 11/2009).


Impfstoffe

In den USA sind, soweit bekannt, nur Impfstoffe ohne Wirkverstärker zugelassen. Sie werden ähnlich wie die erprobten und gut bekannten Impfungen gegen die saisonale Grippe (Influenza) hergestellt. Es handelt sich um so genannte Spaltimpfstoffe (es werden nur Bruchstücke der Viren zur Produktion des Impfstoffes benutzt), die Kultivierung erfolgt in Hühnereiern. In Deutschland stehen derzeit zwei Impfstoffe zur Verfügung: für Soldaten und Politiker ein Ganzvirusimpfstoff (Handelsname: Celvapan®), er ist wirkverstärkerfrei und wird  in  Säugetierzellen  angezüchtet. 


Der Impfstoff, der für den Rest der Bevölkerung vorgesehenen ist, hat mittlerweile eine große Bekanntheit erlangt (Handelsname: Pandemrix®). Er enthält den umstrittenen Wirkverstärker (Adjuvans) AS03, die Züchtung erfolgt in Hühnereiern. Der Wirkverstärker AS03 wird laut AT in handelsüblichen Impfungen bisher nicht verwendet. Außerhalb von Studien soll es keine Erfahrung mit Wirkungen und Nebenwirkungen durch AS03 geben. Die Studien mit AS03 haben eine schlechtere Verträglichkeit von Impfungen mit, gegenüber Impfungen ohne dieses Adjuvans gezeigt. Sowohl lokale Reaktionen an der Einstichstelle, als auch allgemein Reaktionen wie Fieber, Müdigkeit und/oder Muskelschmerzen sind vermehrt aufgetreten. AT vermutet, dass darüber hinaus „...mit einer besonderen Risikosituation in Bezug auf selten bedrohliche Schadwirkungen zu rechnen...“ ist. 

Auf Hühnerei gezüchteten Impfstoffen (u.a. Pandemrix®) können bei Menschen mit Hühnereiallergie schwere allergische Reaktionen auslösen.


Impfempfehlung

Die Empfehlung zur Impfung durch die STIKO betrifft im ersten Schritt Mitarbeiter des Gesundheitswesens, chronisch kranke Kinder (ab dem 6. Lebensmonat) und Erwachsene sowie schwangere Frauen. Bei Kindern bis 3 Jahre, zwischen dem 10. und dem 17. Lebensalter und bei schwangeren Frauen sollen, laut AT, jegliche Erfahrungen mit dem Impfstoff Pandemrix® fehlen. Diesem Sachverhalt trägt die STIKO zumindest teilweise mit ihrer Empfehlung Rechnung, Schwangere sollten derzeit besser mit einem Spaltvirusimpfstoff ohne Wirkverstärker geimpft werden. In Deutschland ist ein derartiger Impfstoff aktuell nicht verfügbar. Auch für die Gruppe der chronisch kranken Menschen liegen laut AT keine Erfahrungen und Daten zur Wirkung und Sicherheit von Pandemrix vor. Die bekannten Studien seien bislang ausschließlich mit gesunden Personen durchgeführt worden.


Impfaktion

Die Befürchtungen der Impfkritiker könnten im Kern so zusammengefasst werden: Auch angesichts von 16 Todesfälle durch die „Schweinegrippe“ (Stand 13.11.2009, Veröffentlichung durch das RKI) scheint es sich auch in Relation zur Vielzahl der Erkrankten weiterhin nicht um eine schwere, gefährliche „Seuche“ zu handeln. Bereits 2007 wurde unter dem Eindruck der damals befürchteten Folge der „Vogelgrippe“ vom Gesundheitsministerium ein „Super-Gau-Szenario“ entwickelt. Für den Katastrophenfall einer schweren nicht beherrschbarer Pandemie sollte schnell ein wirksamer Impfstoff verfügbar sein. Mit der Firma GlaxoSmithKline soll ein Vertrag zur Lieferung von 50 Millionen Dosen eines entsprechenden Impfstoffes vereinbart worden sein. Nach Informationen von AT, sei dem Hersteller vertraglich eine weitgehende Freistellung von seiner Haftung zugesichert worden, „da aufgrund der besonderen Situation im Pandemiefall weder umfangreiche klinische Daten noch Erfahrungen mit dem Pandemie-Impfstoff in seiner konkreten Zusammensetzung vorliegen“. 


Dieser Sachverhalt lässt die Vermutung zu, dass möglicherweise die ansonsten in Deutschland geltenden Regeln für die Arzneimittelsicherheit im Zusammenhang mit der Pandemieimpfung nicht erfüllt werden (können). Das eigentliche Problem scheint nun im Missverhältnis zwischen der befürchteten Gefahr und der Wirklichkeit zu liegen. Die „Schweinegrippe“ ist derzeit keine „grassierende Seuche“, die Menschen in großer Zahl in den Tod reißt. In diesem Fall könnten die Nebenwirkungen einer Impfung eine untergeordnete Rolle spielen. Für eine Krankheit mit mildem Verlauf, also ohne hoher Sterblichkeit, eignet sich aber kein Vorgehen mit Katastrophencharakter.


Fazit

Pandemrix®, ein auf Hühnerei gezüchteter Spaltimpfstoff mit Wirkverstärker (Adjuvans), steht für die Impfaktion der Bevölkerung zur Verfügung. Soldaten und Politiker sollen mit Celvapan® geimpft werden. Die Erfahrung mit diesem Ganzvirusimpfstoff sind, laut AT, allerdings noch schlechter als mit Pandemrix®. Der Wirkverstärker AS03 in Pandemrix® soll die Antwort des Immunsystems verstärken und die für die Impfung notwendige Virusmenge reduzieren helfen. Soweit bekannt ist, wurde AS03 in handelsüblichen Impfungen bislang nicht benutzt. Die mit Wirkverstärkern durchgeführten Studien weisen darauf hin, dass sich die Verträglichkeit der Impfung durch Adjuvantien verschlechtert. 


Laut AT sollen für Kinder bis 3 Jahre, zwischen 10 und 17 Jahren und für schwangere Frauen keine Erfahrungen mit Pandemrix® vorliegen. Ebenso soll es keine Daten zu Wirkung und Nebenwirkungen bei Personen mit chronischen Krankheiten geben. In Schweden sollen im Zusammenhang mit der Impfung 20 Berichte über schwerwiegende Zwischenfälle erfasst sein. 5 Personen sind innerhalb von 12 Stunden bis 4 Tagen nach der Impfung gestorben (Stand Mitte Nov. 2009). 


Es scheinen Hinweise darauf zu bestehen, dass die üblichen Regeln der Arzneimittelsicherheit in Zusammenhang mit der A/H1N1 - Impfung in Hinblick auf ein befürchtetes „Katastrophenszenario“ nicht erfüllt sind. Es ist unmöglich, eine grundsätzliche Empfehlung für oder gegen eine A/H1N1- Impfung zu geben. Je nach persönlicher Wertung der Fakten sprechen auch die Experten völlig unterschiedliche Empfehlungen aus. Die genannten Informationen sollen Ihnen helfen, für sich (und Ihre Familie) eine „informierte Impfentscheidung" zu treffen.


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