Frangipani; Foto: © Dr. M. Berger
Frangipani; Foto: © Dr. M. Berger

Seele in Not: von „ADHS“ bis „Zwang“ - Homöopathie bei psychischen Erkrankungen

Dr. med. Thomas Bonath -

Seelische Erkrankungen nehmen immer weiter zu. Sie äußern sich je nach Lebensalter unterschiedlich. Während bei Kindern und Jugendlichen die am häufigsten gestellte Diagnose „ADHS“ lautet, erkranken junge Erwachsene eher an Zwangs- oder Suchterkrankungen. Hierzu gehört nicht nur der Missbrauch von Drogen, Alkohol und Nikotin. Erschütternd ist, wie viele vor allem junge Menschen Ess-Störungen wie Anorexie (Magersucht) oder Bulimie (Ess-Brechsucht) entwickeln. Gerade diese Erkrankungen entstehen in immer früherem Lebensalter, sind auch häufig lange Zeit anhaltend und werden in Krisenzeiten wieder akut. Erwachsene leiden zunehmend an Depressionen, Angststörungen oder am „Burnout“-Syndrom. In allen Altersgruppen kann es auch zu einer Verlagerung von seelischen Problemen auf den Körper kommen, Kopf-, Magen- oder Rückenschmerzen sind die Folge.


Ursachen und Entwicklung

Da seelische Erkrankungen in jedem Lebensalter zunehmen, stellt sich die Frage: gibt es hierfür nicht eine gemeinsame Ursache? Um hierauf eine Antwort zu finden, muss man die Entwicklung differenziert betrachten. Für die einzelnen Erkrankungsformen gibt es unterschiedliche Auslöser und Entwicklungen:

  • Ess-Störungen gehen z.B. häufig vordergründig mit einer Verzerrung der Körperwahrnehmung einher, das heißt, das eigene Bild des Körpers hat nichts mehr mit der Realität zu tun: ein gertenschlanker Mensch findet sich „zu fett“ und versucht ins Krankhafte hin abzunehmen. Selbst wenn der Patient ein schon lebensgefährliches Untergewicht erreicht hat, kann er die eigene Vorstellung „zu fett“ nicht korrigieren...
  • Angsterkrankungen wie Panikattacken treten häufig erstmalig in Situationen auf, die bislang problemlos beherrscht wurden. Aber auf einmal treten beim Auto fahren, beim Zug fahren, beim Reden in der Öffentlichkeit unerklärliche Erscheinungen wie Herzklopfen, Schwitzen der Hände, Atembeklemmungen oder Schwindelgefühle auf. Dies kann man sich zunächst gar nicht erklären, und nicht selten macht man eine Odyssee bei verschiedenen Ärzten, die für die Symptome aber keine körperlichen Ursachen finden....
  • „Burnout“- Erkrankungen treten häufig im Rahmen einer starken beruflichen Belastung auf. In vielen Fällen sagen aber gerade die Betroffenen, daß sie ihren Beruf lieben und gerne weiter ausführen wollen. Dennoch werden sie immer weniger leistungsfähig, unkonzentriert und entwickeln häufig körperliche Symptome....


Scheinbar liegen hier also unterschiedliche Mechanismen zugrunde. Bei jedem Patienten verläuft die Erkrankung zusätzlich nach einer eigenen persönlichen Entwicklung und Dynamik, also ganz individuell. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Mechanismus, der sich bei fast allen Störungen finden lässt. Das seelische Gleichgewicht wird durch innere und äußere Einflüsse gestört, die massiven Druck und innere Anspannung erzeugen. Die individuelle Fähigkeit, diesem Druck standzuhalten, wird durch die jeweilige „Sensibilität“ mitgeprägt. So kann es bei ähnlichen Herausforderungen zu unterschiedlichen Reaktionen kommen. Es entwickeln sich verschiedene Störungsbilder.


Die Psychotherapeutin Virginia Sathyr vergleicht die Mechanismen der seelischen Verarbeitung mit einem inneren Gefäß, das die unterschiedlichen Gefühle, Eindrücke, Sorgen, Ängste und emotionalen Erfahrungen enthält. Unter normalen Umständen können diese Emotionen darin bearbeitet und kontrolliert gelöst werden. Kommt es durch krisenhafte Situationen oder dauernde Belastung zu einem vermehrten „Zufluss“ oder um im Bild zu bleiben, zu „Feuer unter dem Topf“, steigt zunächst der Spiegel und dann der Druck an, der „Deckel“ wird quasi durch den Dampf gehoben und kann den Druck nicht mehr halten. Es kommt zu einem „Überkochen“, zu einem „Überlaufen“ der Gefühle. Der Weg, den sich diese übermächtigen Gefühle dann suchen, ist unterschiedlich und äußert sich dann in den unterschiedlichen Erkrankungen, z.B. in den oben dargestellten Formen. Diese stellen also eine individuelle Überdruckreaktion dar, die durch die jeweilige Sensibilität mitgestaltet wird.


Für den Patienten hat dies in manchen Fällen zunächst einen Nutzen: der Druck nimmt erst einmal ab und durch Vermeiden belastender Situationen wird vorübergehend eine scheinbare Regulation aufgebaut. Diese Entlastung ist jedoch meist nicht von langer Dauer, da sich die belastenden Einflüsse von außen oder innen hierdurch nicht direkt verändern. Da aber unbewusst erlebt wurde, dass der Druck und damit die innere Anspannung nachgelassen haben, besteht eine große Gefahr: auch wenn die Reaktion als unangenehm empfunden wird, überwiegt die Entlastung, so dass dieser Mechanismus ohne willentliche Steuerung immer wieder eingesetzt wird. Die akute Reaktion wird dadurch zur chronischen, zur andauernden Störung. Teilweise, z.B. bei Ess-Störungen oder Zwangs- und Angsterkrankungen, entwickelt dieser Mechanismus dann ein „Eigenleben“, unterhält sich praktisch selber und entfaltet so zerstörerische Kräfte. Der Verstand erkennt häufig, dass das Verhalten unsinnig und gefährlich ist, er ist aber nicht mehr in der Lage, die Kontrolle über das Unbewusste zu übernehmen und den Mechanismus zu unterbrechen.

Die Behandlung

Je nach Erkrankung gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Behandlung. Die Therapie muss aber immer individuell auf die Situation des Patienten abgestimmt sein. Hierbei können auch unterschiedliche Ansätze zum Tragen kommen und mit einander kombiniert werden. So kann z.B. Psychotherapie mit medikamentöser Behandlung verknüpft werden. Aber gerade der zunehmende Einsatz von „Psychopharmaka“ ist wegen der häufig damit verbundenen Nebenwirkungen nicht unproblematisch und auch in Fachkreisen umstritten.

Homöopathie für die Seele

Die Homöopathie stellt eine Sonderform der medikamentösen Behandlung dar:

  • richtig angewendet zeichnet sie sich zum einen durch ein günstiges Risikoprofil aus. Bei chronischen seelischen Störungen gehört sie aber immer in die Hand von Experten;
  • die Symptome der Erkrankung werden zuverlässig und effektiv gemildert; sie ist eine „Regulationsmedizin“ und stärkt die „Selbstwirksamkeit“, das heißt, der Patient wird in seiner Fähigkeit, sich selbst helfen zu können, unterstützt. Die Symptome werden nicht durch Dämpfung des Erlebens oder Blockade neurobiologischer Vorgänge unterdrückt, sondern eine Balancierung der seelischen Prozesse und so ein schnelleres „ins Lot kommen“ erreicht.

In meiner Praxis kombiniere ich häufig Psychotherapie mit Homöopathie. So lassen sich in vielen Fällen schnellere und nachhaltigere Erfolge erzielen. Stellvertretend für andere möchte ich eine Patientin zitieren:

„Ich litt schon lange unter seelischen Problemen, die sich im Laufe der Zeit verlagerten, in ihren Auswirkungen aber schlimmer wurden. Als Kind hatte ich häufig Schulangst, oder Angst, dass meiner Familie etwas Schlimmes geschieht. Deshalb war es für mich furchtbar, eine richtige Strafe, auf Klassenfahrt zu gehen. In der Pubertät konnte ich mich selber nicht leiden, fand mich hässlich und fett. Heute weiß ich, dass ich damals eine Ess-Brechsucht entwickelte. Mein Freund und späterer Mann hat mir aber geholfen, hier heraus zu kommen, auch indem er Alarm schlug und mir eine Therapeutin besorgte. Er musste mich richtig zwingen, hinzugehen. Während des Studiums kehrten die Ängste zurück. Zusätzlich fing ich an, alles x- mal zu kontrollieren: ob der Herd aus ist, ob alle Türen zu sind. Ich hatte immer mehr Schwierigkeiten, pünktlich zu Vorlesungen zu kommen. Das weitete sich sogar auf Prüfungen aus. Zu diesem Zeitpunkt nahm ich dann Psycho- pharmaka, die mich auch stabilisierten. Ich nahm aber heftig zu und hatte Angst, wieder eine Bulimie zu bekommen, deshalb setzte ich sie ab. Nach dem Studium wurde ich Mutter. So sehr ich mir das Kind und die Familie gewünscht hatte, ich stürzte danach in ein tiefes Loch, konnte mich über nichts mehr freuen, eigentlich gar nichts mehr fühlen... und vieles im Alltag nicht mehr erledigen. Diese „Leblosigkeit“, anders kann ich es nicht sagen, war fürchterlich, für mich und alle, die ich liebe. Das Leid, das ich bei meiner Familie auslöste, trieb mich immer mehr in Selbstzweifel und schließlich sogar in Selbsthass, ich dachte an Selbstmord, da ich mir einbildete, dass es den anderen ohne mich als Last besser ging. Wieder zwang mein Mann mich zur Therapie... Gott sei Dank. Die Gespräche hierbei haben mir sehr geholfen, aber immer hatte ich das Gefühl, dass das, was ich mit dem Verstand erarbeitete, nicht ankam, nicht emotional umgesetzt wurde. Wieder wurde mir eine Medikation angeraten, aber nach meinen bisherigen Erfahrungen lehnte ich ab. Bis mir die Möglichkeit der Homöopathie aufgezeigt wurde. So skeptisch ich war, es war erleichternd und beeindruckend, als wenn man im tiefen Brunnen sitzt und oben aber wieder Licht sehen kann. Es war ein 7 langer Weg, aber ich konnte aus dem Loch klettern. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die homöopathischen Medikamente eine Verknüpfung herstellten zwischen Lebenswille und meiner Lebenskraft, wie eine Bahnung vom Kopf zum Herz.“.


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